Die Weltwirtschaft ächzt unter den Auswirkungen des neuartigen Corona-Virus. Um die Lage am Arbeitsmarkt zu stabilisieren, erlässt die Bundesregierung aktuell in Rekordzeit Maßnahmen, unter anderem neue Regelungen zum Kurzarbeitergeld. Was ändert sich hierdurch und was müssen Betriebsräte generell im Zusammenhang mit Kurzarbeit beachten?
Allgemein zur Kurzarbeit
Kurzarbeit ist eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit bei entsprechender Kürzung der Vergütung aufgrund von erheblichem Arbeitsausfall. Durch eine Reduktion der Personalkosten sollen so die Umsatzeinbußen abgemildert werden, um Unternehmen vor dem Ruin zu bewahren. Parallel hierzu wird den Arbeitnehmern von der Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergelt gezahlt, um ihre finanziellen Beeinträchtigungen abzumildern.
Betriebsrisiko
Zwar trägt normalerweise der Arbeitgeber das Risiko einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit (sogenanntes Betriebsrisiko). In Krisensituationen kann die uneingeschränkte Lohnfortzahlung jedoch die Existenz eines Unternehmens bedrohen und seine Beschäftigten damit in die Arbeitslosigkeit treiben. Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, ist die Kurzarbeit ein Instrument, um dem verringerten Beschäftigungsbedarf zu begegnen
Welche Voraussetzungen gelten?
Zu unterscheiden ist zwischen individualrechtlichen Voraussetzungen, kollektivrechtlichen Voraussetzungen und den förderungsrechtlichen Voraussetzungen.
Anspruch auf Förderung: Kurzarbeitergeld (KUG)
Wird Kurzarbeit wirksam eingeführt, zahlt die Arbeitsagentur den betroffenen Arbeitnehmern 60 % (mit Kindern 67%) des Nettolohns für die ausfallende Arbeitszeit als Kompensation. Das war schon immer so. Neu ist hingegen:
1) Für die rechtmäßige Anordnung von Kurzarbeit müssen nur noch 10 % der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein (vorher ein Drittel).
2) Anders als zuvor können nun auch Leiharbeitnehmer Kurzarbeitergeld beziehen.
3) In Betrieben mit Arbeitszeitkonten müssen nicht zuerst Minusstunden aufgebaut werden, bevor Kurzarbeitergeld gezahlt wird.
4) Die Versicherungsbeträge werden vollständig von der Bundesagentur für Arbeit übernommen.
Auch die sogen. Beitragsbemessungsgrenze spielt eine Rolle beim Kurzarbeitergeld. Der Berechnung des Kurzarbeitergeldes liegt die Differenz aus dem Istentgelt (tatsächliches Bruttoentgelt im Monat der Kurzarbeit) und dem Sollentgelt (beitragspflichtiges Bruttoentgelt, das die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall im Anspruchsmonat verdient hätte) zugrunde. Als Sollentgelt ist daher grundsätzlich das regelmäßige laufende Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Wie beim Arbeitslosengeld ist damit der Entgeltausfall bis zu dem Entgelt abgesichert, bis zu dem Beiträge entrichtet werden. Liegt auch während der Kurzarbeit das erzielte Istentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, kann daher kein Kurzarbeitergeld gezahlt werden.
Dies „reizt“ viele Betriebe und Unternehmen zu diesem Instrument zu greifen. Und auch Betriebsräte sind schnell bei der Sache. Es gibt allerdings Voraussetzungen, die beide Betriebsparteien berücksichtigen sollten:
Arbeitsvertrag
Individualrechtlich ist zunächst zu beachten, dass der Arbeitgeber eine Grundlage benötigt, um Kurzarbeit anweisen zu können. Diese Grundlage muss nach richtiger Auffassung im Arbeitsvertrag verankert sein durch eine entsprechende Klausel. Ohne solch eine Klausel im Arbeitsvertrag besteht kein Recht seitens des Arbeitgebers, seine Arbeitnehmer einseitig per Direktionsrecht auf Kurzarbeit zu setzen. Denn dem steht das sogen. Günstigkeitsprinzip im Weg. Das Recht des Arbeitnehmers ist verbrieft im Arbeitsvertrag. Und dieses Recht auf volle, ungekürzte Beschäftigung ist für den Arbeitnehmer günstiger als ein Recht aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag, nur noch zeitanteilig beschäftigt und bezahlt zu werden. Anderes gilt nur in solchen Fällen, wo der Arbeitsvertrag wie man sagt „betriebsvereinbarungsoffen“ oder „Tarifvertragsoffen“ formuliert ist. Dies muss nach richtiger Auffassung ausdrücklich im Arbeitsvertrag formuliert sein.
Merke: Gibt es solch eine Formulierung nicht im Arbeitsvertrag, muss der Arbeitnehmer motiviert werden, „Ja“ zu der Absenkung der Arbeitszeit zu sagen. Hierzu wird er nur dann bereit sein, wenn das damit einhergehende Risiko nicht nur und vollständige von ihm getragen werden soll.
Betriebsverfassungsrecht
Daneben muss in Betrieben mit Betriebsrat auch der Betriebsrat zustimmen. Denn die „vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit“ ist mitbestimmungspflichtig gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
Tipp: Die Einführung von Kurzarbeit kann nicht nur vom Arbeitgeber initiiert werden. Auch der Betriebsrat kann den Impuls dazu setzen. Denn auch eine „vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit“ ist vom sogen. Initiativrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG umfasst. Oft kann der Betriebsrat mit diesem Instrument betriebsbedingte Beendigungskündigungen weitgehend vermeiden.
Betriebsräte haben sozusagen von Amts wegen die Interessen der Arbeitnehmer und des Betriebs im Blick zu haben (§§ 2, 74 BetrVG). In Zeiten von Corona & Co. Werden sie also die aus der allgemeinwirtschaftlichen Lage resultierenden Sachzwänge für den Betrieb und das Unternehmen zu berücksichtigen haben. Betriebsräte sollten aber folgende Punkte bei den Verhandlungen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung berücksichtigen:
Checkliste für Betriebsvereinbarung
- Welcher Bereich ist betroffen? Genau beschreiben!
- Ab welcher Zeit und für welche Zeit soll in Kurzarbeit gearbeitet werden?
- In welchem Umfang soll die Arbeitszeit herabgesenkt werden?
- Auf Zeiterfassung achten!
- Steht die Absenkung der Arbeitszeit unter der aufschiebenden Bedingung der Gewährung von Kurzarbeitergeld?
- Gewährt der Arbeitgeber zu den Leistungen der Agentur für Arbeit „Aufstockungszahlungen“, um die Einbuße des Arbeitnehmers abzumildern?
- Verzichtet der Arbeitgeber für die Laufzeit der Betriebsvereinbarung auf den Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen?
Tipp: Betriebsräte sollten versuchen, im Zuge der Verhandlungen den Arbeitgeber zu „Aufstockungszahlungen“ zu bewegen. Häufig erfolgt eine Einigung auf 20%, so dass die Einbuße zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ungefähr aufgeteilt wird.